Einander verstehen

Einander verstehen

Man muss sich nicht mögen, um einander zu verstehen.

von Horst Rückle, hr-know-how-pool

Man muss sich nicht mögen, um einander zu verstehen. Verstehen ist eine Sache des Verstandes, der Vernunft, mögen eine Sache des „Herzens“, des Gefühls. 

„Wir haben uns gesehen und sofort verstanden“, erzählt mir ein renommierter Mittelstandsunternehmer über seinen jetzigen Prokuristen und potentiellen Nachfolger.

Er meinte damit, dass die Denkhintergründe, Meinungen, die Wortwahl und die Art der Sprache passten. Dieses Phänomen ist sicher genau so selten, wie die Situation, dass zwei Menschen sich überhaupt nicht verstehen. Dann hilft lernen – kennen-lernen. Partnerschaft basiert auf verstehen, Freundschaft (auch) auf Gefühlen. Dann würde man sagen: „Wir haben uns sofort gemocht / uns auf den ersten Blick verliebt“.

Du musst nur wollen, musst nur „aktiv“ zuhören, dann wird es schon klappen – solche Rat-Schläge helfen nicht. Mit Wollen und aktivem Zuhören lassen sich Situationen beeinflussen und unterschiedliche Sichtweisen glätten. Wirkliche Problemlösungen sind beide nicht. Wille ist definiert als Entscheidungsfähigkeit. Er kann u. a. das Wohin, Was, Wie und mit Wem festlegen. Aktiv zuhören ist ein Mittel, das hilft diesen Weg zu gestalten. Meist sind weitere Aktivitäten, wie zum Beispiel Nutzen- bzw. Schadenargumentation, Fach- und Sachkenntnisse, Bemühen und echtes Interesse, erforderlich. 

Eine veränderte Sicht von Situationen und eine wertschätzend-wohlwollende Einstellung, können dazu beitragen, dass eine tragfähige Beziehung entsteht. „Liebe vergeht, Hektar besteht“ beschreibt eine solch schwäbische Vernunftsbeziehung. Das bei beiden Partnern vorhandene Streben, die Ländereien zu vereinen und der daraus angenommene Nutzen, können die Motivation zum Verstehen und zur Partnerschaft auslösen. Dabei ist es nicht hinderlich, aber auch nicht notwendig, dass die Partner sich mögen. Aus Werten resultierende, von beiden akzeptierte Regeln können viel dazu beitragen, dass selbst zwischen Personen, die in anderen Rollen sehr verschieden sind, und die sich nicht sympathisch finden, in einer bestimmten Rolle Gemeinsamkeiten entstehen.

So sind viele Beziehungen zwischen Arzt und Patient, Klient und Rechtsanwalt, Führungskraft und Mitarbeiter, Verkäufer und Kunde u. a. getragen von den Rollen und resultierender, wechselseitiger Hilfe bei Problemlösungen.

Auch Sportler wissen das. Sie geben sich erreichbare, messbare Ziele, die sie im Rahmen der Regeln erreichen wollen. Sobald sie in der entsprechenden Rolle sind, bestimmen diese beiden Faktoren, ergänzt um die Erwartungen der Zielgruppen, die jeweiligen Verhaltensweisen. Nicht nur einmal, sondern immer, wenn die entsprechende Rolle eingenommen wird, zeigen sie die „Summe der in der Position erwarteten Verhaltensweisen“. Nur deshalb kommen Sie bei der gleichen Wahrnehmung von Situationen zu gleichen Ergebnissen. Sie fallen nicht – oder nur ausnahmsweise – „aus der Rolle“. 

Nur wer versteht, kann vernünftig handeln. Wer in diesem Sinne gut sein will, holt Feedback ein. Leistungsmotivierte wollen dabei vorrangig erfahren was sie falsch gemacht haben – besser machen könnten. Was richtig war, ist meist vom jeweiligen Ergebnis ableitbar und selbst erkennbar. Die Anerkennung kommt dann sozusagen aus dem Handelnden selbst. Kritik beschreibt die negative Abweichung des Beobachteten vom Gewollten. So bekommt der Empfänger Information, aus denen er sein Handeln beurteilen und, wenn selbst gewollt, ändern kann. Lob und Tadel, als ohne Begründung formulierte Positiv- bzw. Negativmeinung, nennen keine Fakten und tragen deshalb nicht zum Verstehen bei. 

„Ich habe den gesehen und sofort gewusst, dass es mit uns nichts wird“, ist das Gegenteil der zu Beginn beschriebenen Situation. „Ich verstehe den nicht“, sagen wir, wenn dessen Verhaltensweisen aus Zielen und Regeln gespeist sind, die wir nicht kennen oder ablehnen. Lernen wir Ziele, Regeln und resultierenden Programme des Anderen kennen und können wir diese dann sogar verstehen, kann sich Partnerschaft entwickeln. Dazu gehören oft auch Geduld und Offenheit. Dabei können Ergebnisse entstehen, bei denen wir sagen: „Wenn man die / den näher kennt, ist die / der eigentlich ganz o.k.“. Fehlt die Bereitschaft zum „Kennen-Lernen“, können sich Vorurteile im Sinne von „sich selbst erfüllenden Prophezeiungen verwirklichen“.

Dann meint man von vornherein Recht gehabt zu haben. 

„Wer durch des Argwohns Brille schaut, sieht Raupen selbst im Sauerkraut“, dichtete Wilhelm Busch. Wer ständig misstraut, ist genau so schlecht beraten wie jemand, der ständig vertraut – muss er doch der Definition zufolge „einen Vermögensnachteil billigend in Kauf nehmen“. Wichtig ist, sich, bereit zu eigener Entwicklung, das Kennen-Lernen zu gönnen, Ziele und Werte und die daraus resultierenden Anforderungen zu klären und Verhaltensweisen durch die Brille der gemeinsam akzeptierten Grundlagen zu beobachten. Wo zwei „harte Knochen“ sich aneinander reiben, entsteht Energie. Diese kann nur kanalisiert werden, wenn das Anderssein des Anderen grundsätzlich akzeptiert, ihm zu-getraut wird, dass er im Sinne gemeinsam gewollter Ergebnisse handelt.

Abweichungen machen Feedback und Diskussion möglich. Es kann entstehen, dass aus zwei verschiedenen Wegen ein dritter, plötzlich zum gemeinsam richtigen, wird.

Das ist nicht immer einfach. So stritten in einer von mir moderierten Situation der Inhaber und der potentielle Nachfolger darüber, welcher Mitarbeiter befördert werden soll. „Den würde ich gerne befördern“ sagte der Nachfolger. „Der gefällt mir gar nicht“, antwortete der Inhaber. Solche Pro- und Kontra-Botschaften sind häufig und wenig hilfreich. 

Dass der Nachfolger im Konjunktiv sprach, zeigt die Offenheit für eine Diskussion und Wertschätzung des Vorgängers. Vielleicht hat der Vorgänger diese Art der Formulierung als Schwäche interpretiert, vielleicht schätzt er seinen Nachfolger zu wenig wert oder er wurde einfach emotional – die Chance für einen ergebnisfördernden Dialog ist zunächst vertan. Wie leicht wäre es gewesen, hätte der Vorgänger einfach Interesse gezeigt und gefragt, welche Beobachtungen das Vorhaben des Nachfolgers begründen! 

Heraushören was der Sender meint, was er über sich offenbart, was er bezwecken will, was er über den Empfänger ausdrückt und über die Situation oder Sache, ermöglicht Verstehen. Dabei ist es nicht einmal notwendig, dass beide zur gleichen Meinung finden. Oft besteht die Konfliktlösung schon darin, die Gründe des Partners zu kennen.

Im Laufe der moderierten Diskussionen konnten beide Herren, die Vorgänger- bzw. Nachfolgerrolle ablegen und Verhaltensweisen entwickeln, die es auf der Grundlage gemeinsam akzeptierter Ziele und Werte ermöglichten, als Partner miteinander zu reden und, so hoffe ich, künftig miteinander zu arbeiten.

Fragen und Feedback bitte an:
Michael Behn
Telefon: 07032/93 07 32
E-Mail:    info@behn-friends.de

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